von Gwiddon Harveston
Silver Circle ist eine der größten Organisationen bzw. eines der größten Netzwerke von Praktikern und Suchenden von (Gardnerischem) Wicca in Kontinentaleuropa. Und doch ist die Geschichte dieser Organisation nie ernsthaft untersucht worden. Britische Forscher neigen dazu, wenig Interesse an dem zu haben, was außerhalb ihrer Inseln passiert, und ihre amerikanischen Kollegen sind oft gleichgültig gegenüber den Angelegenheiten des alten Europa. Dieser kurze Beitrag soll die Informationslücke rund um Silver Circle füllen. Diese Organisation hat nicht nur in ihrem Heimatland – den Niederlanden – sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern viel für die Entwicklung von Heidentum und Wicca getan.
Silver Circle ist das geistige Kind zweier der wichtigsten Figuren im modernen niederländischen Heidentum – Morgana und Merlin Sythove. Morgana, ursprünglich Britin, wuchs in Lancashire auf – einer Region, die unter anderem bekannt ist für Pendle Hill und die Lancashire Hexenprozesse. Im Jahr 1974 zog Morgana nach ihrem Abschluss an der Pädagogischen Hochschule auf der Suche nach Arbeit und Abenteuer in die Niederlande. Dort traf sie Merlin, einen jungen holländischen Typen, der Psychologie an der dortigen Universität (Utrecht) studierte. Sie entdeckten ihr gemeinsames Interesse an Spiritualität. Beide waren besonders an Heidentum und anderen Religionen interessiert, die es Frauen ermöglichten an religiösen Riten direkt auf Augenhöhe mit Männern teilzunehmen. Sie waren auf der Suche nach einer Philosophie, die Raum für Magie zuließ, und der damit eine tiefere Bedeutung für die menschlichen Existenz, einen gewissen Sinn fürs Mysterium, innewohnte.
Im Jahr 1977 brach Morgana zu einer spirituellen Reise nach Indien auf. Sie war wohl eine der letzten der Hippie-Generation , die dem berühmten „Hippie Trail“ folgte. Es sollte eine Reise per Bus durch Griechenland bis Indien, über Istanbul, die Türkei, den Iran, Afghanistan und Pakistan werden. Zudem besuchte sie Nepal und Sri Lanka. Als ihre mystische und zauberhafte „Indische Reise“ zu Ende ging, kehrte Morgana in die Niederlande zurück. Auf dem Flug zurück von Delhi nach Kabul wurde sie Zeuge der sowjetischen Truppen in Afghanistan. Ihr Zug war der letzte zum „Land der Hippies“. Krieg und Zerstörung schlossen diesen Weg kurz darauf für immer.
Nach ihrer Rückkehr in die Niederlande traf Morgana sich wieder mit Merlin, der sich in der Zwischenzeit mit Eingeweihten der alexandrischen Tradition des Wicca, der modernen magischen Tradition der Hexerei mit europäischen heidnischen Wurzeln, getroffen hatte. Sie hatten zuvor von Wicca gehört, aber nie echte Praktiker dieser Religion getroffen. Nach einem Gespräch mit ihnen beschlossen Morgana und Merlin nicht mit ihnen weiter fortzufahren. Im modernen Wicca ist es sehr wichtig einen instinktiven, intuitiven Impuls im Inneren zu fühlen – ein „Bauchgefühl“ sozusagen, und wie ein „Klicken“ zwischen den Menschen. Es ist absolut notwendig dieses Gefühl, dieses schwer fassbare „Klicken“ zu empfinden, damit Leute gut zusammen im Kreis arbeiten. Wenn der „Klick“ nicht da ist, heißt das sicherlich nicht, dass man schlechte Menschen getroffen hat, sondern einfach, dass Sie wahrscheinlich nicht mit ihnen in einem magischen Zirkel sein sollten.
Nach ihren Erfahrungen mit den Alexandriern begannen Morgana und Merlin nach anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten, um mehr über Wicca und heidnische Hexerei zu lernen und fanden Marian Greens Fernkurs in Naturmagie. Dieser Kurs hinterließ einen starken Eindruck auf Morgana und Merlin. Silver Circles „erdige“ und sehr natürliche Philosophie ähnelte in vielerlei Hinsicht Marians Ansatz in Sachen Hexerei und Heidentum. Marian war nicht ins British Traditional Wicca initiiert und ihre Praxis ist bis zum heutigen Tag ausschließlich die einer Solohexe. Im Laufe der Zeit lernten sie Marian persönlich kennen und sind gute Freunde mit ihr geblieben. Sie treffen sich noch immer regelmäßig wenn Morgana auf Besuch in England ist.
Etwa zur gleichen Zeit erfuhren Morgana und Merlin von anderen Fernstudiengang, der von Dolores Ashcroft-Nowicki angeboten wurde, einer britischen esoterischen und okkulten Praktikerin, Autorin vieler populärer Bücher über Magie, die in der westlichen Hermetischen Tradition arbeitete. Sie ist Studiendirektorin bei den Servants of the Light, einem modernen britischen esoterischen Orden, gegründet von W.E. Butler im Jahr 1965. Sowohl W.E. Butler als auch Dolores waren involviert in die Fraternity of the Inner Light, einen Ableger des berühmten Order of the Golden Dawn via Alpha et Omega, zunächst von Dion Fortune im Jahr 1922 gegründet. Dementsprechend war das System der Servants of the Light auch direkt verwandt mit der Lehre des Order of the Golden Dawn. Zu einem späteren Zeitpunkt trafen Morgana und Merlin Dolores persönlich und wurden Freunde. Sie hatten im Laufe der Jahre regen Austausch, lernten Magie und okkulte Philosophie von dieser großen Mutterfigur des modernen Okkultismus. Dolores‘ Lehren hatten einen starken Einfluss auf Merlin und Morganas magische Praxis.
Das Leben steht niemals still. Die europäische Wirtschaft ging abermals durch harter Zeiten. Man kann es einen Zufall nennen oder, wie Carl Jung gesagt hätte, Synchronizität, aber Morgana verlor ihren Job und ihr Vermieter kündigte das Mietverhältnis für ihr Zimmer. Doch auch unter solchen erschwerten Umständen ließen sich unsere jungen Leute nicht entmutigen. Sie luden einfach all ihre Habseligkeiten ins Auto und machten sich auf den Weg zu einem großen Road Trip nach England. Das war gerade ohnehin der Geist der Zeit. Neben Verwandtenbesuchen und dem üblichen Sightseeing, war es ihr Ziel die heiligen heidnischen Stätten zu ehren. Und es gibt eine Menge Orte dieser Art in England! Sie besuchten auch die älteste und berühmteste okkulte Buchhandlung in London (und der gesamten westlichen Welt), den Atlantis Bookshop. Merlin fand dort einen Newsletter mit einem Gesuch für neue Mitglieder von einem Hexenzirkel in Brighton. Keine Telefonnummer, nur eine Adresse. Morgana und Merlin fühlten dass sie nichts zu verlieren hatten und besuchten Brighton in der letzten Etappe ihrer großen Tour durch England. Morgana beschrieb ihre schicksalhafte Begegnung folgendermaßen:
„… Am späten Nachmittag klopfte ich also an die Tür eines alten viktorianischen Hauses. Die Tür öffnete sich und ein Mann – das Ebenbild von Gerald Gardner – stand vor uns. Aber er warf nur einen Blick auf uns und schloss die Tür! Eine Minute später wurde die Tür wieder geöffnet und er sagte: „Ich muss meine Frau abholen, möchtet ihr mitkommen?“ Also saßen wir zwei Sekunden später in einem anderen Auto und fuhren mit einem komplett Fremden Richtung Brighton Zentrum. Wir trafen eine Dame – in ihren späten Dreißigern, frühen Vierzigern. Sie sah uns an und sagte : „Aha…“ Später erzählte sie uns, dass sie uns erwartet hatten! Wir aßen bei ihnen zu Abend und redeten und redeten. Wer waren wir? Wonach suchten wir? Wer waren sie? Wir trafen sie noch einmal bevor wir zurück nach Holland fuhren.“
– Auszug aus Morganas Interview mit dem Magazin ACTION von Christopher Blackwell, 2009
Wieder zu Hause in den Niederlanden, etwa drei Wochen später, klingelte das Telefon und sie hörten: “ Möchtet ihr gern initiiert werden?“
Der Zirkel in Brighton stammte von Eleanor Bone (1911-2001) ab, einer von mehreren Hohepriesterinnen, die direkt mit Gerald Gardner gearbeitet hatten. Eleanor hatte ihre ersten Erfahrungen mit Hexerei in einem traditionellen Coven in Cumbria gemacht. Sehr wenig ist über die Gepflogenheiten dieses Covens bekannt, obwohl Eleanor erwähnte, dass sie sehr viel anders waren als das, was Gerald Gardner praktizierte. Eleanor sagte, dass sie während des Zweiten Weltkrieges zum Dienst berufen wurde und ihre Pflichten in Cumbria erfüllte wo sie im Haus eines älteren Ehepaares lebte. Sie nahmen die junge Dame sozusagen unter ihre Fittiche. Eines Abends hatten sie Tee und sie erwähnte etwas über ihren Glauben an Wiedergeburt und die Tatsache, dass auch Tiere eine Seele haben. Im Gegenzug teilte ihre Gastgeber ihr mit, dass sie einige der letzten Praktiker der alten Kunst der Hexerei seien und luden sie ein an ihren Ritualen teilzunehmen.
Nach der Lektüre von Gerald Gardner Buch “ Witchcraft Today“ im Jahre 1959 schrieb Eleanor ihm einen Brief, in dem sie ihre Erfahrungen in dem Cumbrischen Coven beschreibt. Sie äußerte auch den Wunsch, andere Hexen zu treffen, jene, die Gardner in seinem Buch erwähnt. Kurz darauf trafen sie sich persönlich. Gardner stellte sie den Mitgliedern des Bricket Wood Coven vor und initiierte sie im Jahr 1960. Eleanors Erfahrung in dem Cumbrischen Erbhexen-Coven und ihre unbestreitbares Talent ermöglichten ihr in kurzer Zeit zur Hohepriesterin ihres eigenen Gardnerianischen Covens in Tooting Bec, London, zu werden. Es sollte erwähnt werden, dass Gerald Eleanor versprechen ließ, ihre Initiation in die Familientradition im Jahr 1941 nicht weiter zu erwähnen. Dieser Zirkel brachte einige der besten Hexen in England hervor. Zwei ihrer Studenten – Madge und Arthur Worthington – gründeten die sehr angesehene und lebendige Whitecroft-Linie innerhalb der Gardnerianischen Tradition in Großbritannien. Prudence Jones, Autorin von „History of Pagan Europe“ und Vivianne Crowley, Autorin zahlreicher Werke, darunter das äußerst beliebten Buch „Wicca : Die alte Religion im Neuen Zeitalter“ stammen auch über Madge und Arthur von Eleanor ab.
Eleanor war eine erstaunliche Frau. Sie kombinierte ihre bodenständige Weisheit mit den ekstatischen Sakramenten der alten Mysterien. Im gewöhnlichen Leben leitete sie ein Pflegeheim, in dem sie Menschen half, ihren Lebensabend in Würde und Respekt zu verbringen. Sie unterstützte die Lebenden und tröstete die Sterbenden. Und bei Vollmond rief sie ihren Hexenzirkel zusammen um die Alten Götter anzubeten und Magie zu wirken. Eleanor war eine gute Lehrerin und ihr Coven war immer ein ausgezeichneter Ort zum Lernen. Sie scheute auch nicht vor der Aufmerksamkeit der Presse zurück und stimmte großzügig zu an mehreren TV-Sendungen und Dokumentationen in den 1960er Jahren teilzunehmen und Zeitungen und Zeitschriften Interviews zu geben. Sie war sogar auf einer Titelseite der Zeitschrift Life im Jahr 1964 abgebildet.
In den 80er und 90er Jahren hielt Eleanor ihr Leben verschlossen vor den neugierigen Blicken der nationalen Presse. Sie ging in Rente, zurück nach Cumbria und trat ebenfalls von der direkten Leitungsfunktion im Coven zurück. Allerdings stand sie ihren Schülern weiterhin telefonisch zur Verfügung und war Gästen gegenüber großzügig. In späteren Jahren verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, ihr Mann Bill verstarb und Eleanor selbst begann die Anziehung der anderen Welt zu spüren. Den Zeitpunkt ihres Todes während einer Telefonkonferenz auf Okkultur (einem okkulten Festival) voraussagend, starb Eleanor Bone, die Grand Dame der Gardnerianischen Tradition, einen Monat später, vor genau zwölf Jahren an der Herbst-Tagundnachtgleiche im Jahr 2001. Sie befand sich im 91. Jahr ihres Lebens. Viele ihrer Schüler lieben sie immer noch abgöttisch, und geben Geschichten über sie an ihre Schüler weiter, wodurch sie die Erinnerung an ihr Leben und ihre Arbeit lebendig halten.
Eleanor betrachtete Wicca in erster Linie als die Religion der Natur, eng mit der Erde verbunden. Sie legte besonderes Augenmerk auf Heilung und das Wirken von Zaubern, um Coven-Mitgliedern und anderen zu helfen und ihnen Last und weltlichen Sorgen abzunehmen. Manchmal hielt sie heilsame Riten für die Bewohner ihres Pflegeheims ab, wenn sie eine solche Anfrage von einer leidenden Seele erhielt. Eleanor sympathisierte mit den Idealen der Pagan Federation obwohl sie persönlich nie Mitglied dieser Organisation war. Eleanor Bones Vermächtnis lebt weiter in den Reihen der Priester und Priesterinnen ihrer Initiantionslinie. Dies gilt auch für Silver Circle.
Das Ehepaar aus Brighton war ein Ableger von Eleanor und gab die Gardnerianischen Tradition im Jahr 1979 weiter an Morgana und Merlin. Diese reisten häufig nach Brighton um an Ritualen und Trainingssitzungen teilzunehmen. Damals war Fliegen immer noch sehr teuer, so dass das Reisen von den Niederlanden nach England nichts für schwache Nerven war. Im folgenden Jahr starteten Morgana und Merlin mit ihrer vierteljährlichen Zeitschrift „Wiccan Rede“. Es war das erste Magazin über Wicca in den Niederlanden. Die meisten Artikel wurden von Morgana und Merlin selbst geschrieben und waren in englischer Sprache. Bald begannen sie Artikel ins Niederländische zu übersetzen.
In jenen Tagen gab es fast keine Wicca-Literatur in Niederländisch und die Wiccan-Rede-Artikel waren sehr beliebt. Leser schrieben oft Briefe an die Redaktion, wollten mehr über Wicca lernen und fragten, wie sie Teil der Tradition werden könnten. Einige Leser wollten sie persönlich treffen. Durch Wiccan Rede lernten Morgana und Merlin eine Menge Menschen kennen und wenn sie dieses Gefühl, das spezielle „Klicken“, das wir bereits erwähnt haben, fühlten, zogen sie sie als Studenten in Betracht.
Langsam bildete sich eine so genannte „Äußerer Hof“ um Morgana und Merlin, der sich später zum ersten Gardnerianischen Coven in den Niederlanden entwickelte. Nach und nach sammelten die Eingeweihten genug Erfahrung, indem sie mit den Riten arbeiteten und durch die entsprechenden Einweihungen gingen. Zu einem späteren Zeitpunkt gingen einige Initianten fort und gründeten ihre eigenen Coven. Diese Tochter-Zirkel hielten oft eine enge Beziehung mit ihre Initiatoren aufrecht. So entstand ein wahres Netzwerk von Covens um die Elterngruppe und Silver Circle entwickelte sich aus einer Netzwerkorganisation zu einer wirklichen, voll ausgewachsenen separaten Linie der Gardnerianischen Tradition. Diese Linie ist heute in den Benelux-Ländern bekannt als die Silver Circle Linie, während sie weltweit als Andred/Silver Circle Linie bezeichnet wird. Andred bezieht sich auf die Ursprungsgegend (und Göttin) des ursprünglichen englischen Covens. *
Die Silver-Circle-Covens stehen sich immer noch sehr nah. Von Zeit zu Zeit kommen die Silver-Circle-Initianten zusammen um ihre Jubiläen zu feiern. Ein Sommer-Picknick im Panbos (einem Wald im Zentrum der Niederlande) entwickelte sich im Laufe der Zeit zur traditionellen jährlichen Zusammenkunft von Silver Circle. Morgana und Merlins Studenten sind an der Produktion von Wiccan Rede beteiligt. Ihre erste Initiantin ist jetzt die Herausgeberin der Zeitschrift. Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik und der Verbreitung der Internet-Technologie erschloss sich Silver Circle auch seine Online-Präsenz mit der silvercircle.org Website und dem Diskussionsforum dort, und vereinigte damit alle Silver Circle Initianten und Suchende in einer einzigen Gemeinschaft. Merlin war der Techno-Zauberer hinter Allem.
Am 3. Januar 2012, auf der Höhe seiner Kraft und seines Potentials, trat Merlin in die „andere Welt“ über. Wir vermissen ihn sehr. Frühere Ausgaben der Wiccan Rede ab 1984 können unter archive.silvercircle.org gefunden werden. Vor Kurzem ging Wiccan Rede komplett zu einem Online-Format über, das kostenlos zur Verfügung steht. Silver Circle war nie eine ausschließlich niederländische Organisation. Merlin und Morgana und ihrer Linie hatten auch britische, amerikanische, belgische, irische, deutsche, ungarische, polnische, spanische und russische Initianten. Die Vereinigung Europas zu einer einzigen Union trug zur Stärkung der Beziehungen zwischen den verschiedenen kontinentalen Nationen bei. Moderne Technologie wie das Internet, erschwingliche Flüge und superschnelle Züge erlaubte Suchern und Lehrern sich gegenseitig zu finden.
Die Silver Circle Praxis bewegte sich immer sicher innerhalb der strengen Definition der Gardnerianischen Tradition. Sie vertrat stets die ruhige, einfache, „erdige“ Hexenkunst, die Eleanor an Silver Circle durch den Hexenzirkel in Brighton weitergegeben hatte. Aufgrund Morganas und Merlins enger Beziehung mit Marian Green fanden auch deren bodenständige „grünen“ Hexenaromen auf natürlichem Weg Eingang in die Silver Circle Praxis. Als Morgana und Merlin anfingen die Tradition in den Niederlanden zu praktizieren, stellten sie schnell fest, dass der Fluss der Kräfte und die Geister des Landes in diesem Land anders waren als in Großbritannien. Sie achteten darauf, wie das Landes sich anfühlte, experimentierten mit dem Kraftfluss und arbeiteten an der Integration einiger der lokalen Volksbräuche in ihre Hexenpraxis. Daher kommt Silver Circles einzigartiger niederländischer Charakter. So konnten Morgana und Merlin der ausländischen britischen Religion Wicca helfen Wurzeln im niederländischen Boden zu schlagen.
Immerhin ist der einzige Weg für eine Tradition zu überleben, sich im örtlichen Boden zu verwurzeln, ansonsten wird sie nie ihre ursprünglichen Gründer und Träger überdauern. Das traf schon immer zu, und tut es auch heute, in allen religiösen Traditionen der Welt.
Die Niederlande sind ein kleines Land an der Nordseeküste. Das Wasser und das Meer sind immer gegenwärtig, immer nah an den Menschen. Das Meer ist der beste Freund der Menschen, eine Quelle von Wohlstand, ein Mittel zur Kommunikation und zum Transport. Es ist der Schoß der Großen Mutter und zur gleichen Zeit ein Gegner, der die Küste erodieren lässt, ein Zerstörer der Deiche, ein Mörder, der durch Stürme und Überschwemmungen tötet. Hier sehen wir den ursprünglichen Aspekt einer chthonischen Muttergöttin, die Leben schenkt und vielleicht den Tod bringt. Das ganze Land liegt auf oder unter dem Meeresspiegel und ein komplexes System von Deichen hält das Meer davon ab, das Land wieder in Besitz zu nehmen. Die Holländer haben ein Sprichwort: „Gott hat die Erde erschaffen, und die Niederländer erschufen Holland.“
In alten Zeiten wurden die „niederen Lande“ von verschiedenen Stämmen bewohnt, die keltische und germanische Sprachen besaßen. Die Römer nannten diese Region Niedergermanien (Germania Inferior). Sie gründeten auch die ersten Städte in diesem Land (Utrecht). Historiker fanden Hinweise auf die alte lokale Göttin Nerthus, deren Wagen feierlich im Meer gebadet und während einer jährlichen Prozession durch die Landschaft gezogen wurde.
Dieses Land war während der fränkischen Herrschaft im 9. Jahrhundert zwangsgetauft worden, und für eine geraume Zeit behielten die Einheimischen neben dem offiziellen christlichen Glauben ihre heidnischen Bräuche bei. Im 16. Jahrhundert wandten die meisten Niederländer sich von der katholischen Kirche ab und wurden evangelisch. In den Jahrzehnten der Religionskriege des 16 – 17. Jahrhunderts haben die Holländer gelernt den Wert von Geduld, Toleranz und Nichteinmischung in den persönlichen Raum des anderen zu schätzen. Das ist der Grund warum sie trotz des allgemeinen Konservatismus und der christlichen Überzeugungen der meisten niederländischen Menschen ziemlich tolerant gegenüber Wicca und Heidentum sind.
Silver Circle ist ein gutes Beispiel dafür, wie Wicca ein integraler Teil eines vielfältigen Wandteppichs von verschiedenen religiösen Wegen in einem nicht-englischsprachigen Land werden kann; ein Beispiel, wie eine lebendige und aktive Gemeinschaft durch Liebe und Arbeit von engagierten Menschen geschaffen werden kann. Es ist auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Gardnerianische Tradition Wurzeln in einem fremden Boden schlagen kann, und dabei nicht einfach nur ihren Kern und ihr Wesen erhält, sondern auch dazu beiträgt die eigenen Tradition zu bereichern. Silver Circle fällt daher auch selbst unter die strengsten Definitionen der Gardnerianischen Tradition, anerkannt von Gardnerianern auf der ganzen Welt.
Silver Circles Beziehung mit anderen heidnischen Religionen und Wicca-Traditionen sollte ebenfalls erwähnt werden. Die alexandrische Tradition kam ebenfalls ungefähr um das im Jahr 1979 in die Niederlande. Alexandrische und Gardnerianische Covens sind nebeneinander gewachsen, und dank der Weisheit, des Taktgefühl und der Diplomatie auf beiden Seiten scheinen Hexen aus beiden Traditionen gut miteinander auszukommen.
Das war nicht immer einfach, und beide Seiten mussten die feine Kunst des Kompromisses lernen, damit die Traditionen friedlich und mit einem Anteil von gegenseitigem Respekt miteinander existieren konnten. Führungspersonen in der Gemeinschaft arbeiteten hart, um alle „Hexenkriege“ im Keim zu ersticken.
Sie waren auch maßgeblich bei der Einrichtung von „Hexencafés“ beteiligt, den monatlichen informellen Treffen für Suchende überall in den Niederlanden und Belgien.
Silver Circle ist ein lebendiges und wachsendes Netzwerk. Jederzeit sind neue Menschen auf der Suche nach Tradition. Morgana und viele andere arbeiten weiterhin hart um sicherzustellen, dass Silver Circle auch für Suchende aus anderen Ländern offen ist. Morgana betreibt noch immer den Einführungsfernkurs in Englisch. Um den Kurs zu belegen, muss der Interessent ihr eine persönliche Vorstellung zusenden, in der er erklärt, warum er den Kurs machen will und einige seiner eigenen Erfahrungen beschreiben. Dieser Kurs ist natürlich nicht so gestaltet, dass er die Gardnerianische Tradition lehrt, weil es unmöglich ist, Gardnerianisches Wicca zu erlernen, ohne zuvor initiiert worden zu sein. Dennoch ist der Kurs wertvoll für Suchende, weil er ihnen hilft zu beurteilen, ob der Gardnerianische Weg für sie richtig wäre, und die Wissensbasis und Fähigkeiten zu entwickeln, die jede moderne Hexe braucht.
Dieser Weg erfordert viel Geduld, Willenskraft, die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und selbstständig zu lernen. Dieser Weg ist nicht für jedermann. Er ist jedoch die Art und Weise wie Traditionelles Wicca sich für gewöhnlich in verschiedene Länder ausbreitet. Entweder ziehen die Eingeweihten in ein anderes Land und bringen die Tradition mit sich, oder Leute, die in andere Ländern reisen oder auswandern, in dem Wicca bereits existiert, versuchen, so viel wie sie können zu lernen und setzen ihre Ausbildung dann in schriftliche Korrespondenz und sporadischen persönlichen Treffen fort.
Auf diesem Weg hat Raymond Buckland mit Monique und Scotty Wilson trainiert, Morgana und Merlin mit dem Zirkel in Brighton, Jim Baker im London Coven von Alex und Maxine Sanders. Roy Dymond wurde in New York initiiert und zog zurück nach Kanada. Janet und Stewart Farrar trainierten in England und wanderte dann nach Irland aus. Es gibt natürlich viele weitere Beispiele.
In diesen Tagen ermöglicht ein gut ausgebautes Netz von moderner Informationstechnologie wie Skype, E-Mail und soziale Netzwerke es den Menschen miteinander über große Distanzen kostenlos zu kommunizieren. Ausländische Suchende können leicht die Silver-Circle-Websites und Wiccan Rede Online finden. Suchende können stets mit Morgana und ihren Freunden über das PFI-Pagan Federation International-Forum chatten. Sie können eine der nationalen PFI Konferenzen besuchen – dort sind viele traditionelle Wicca-Initianten anzutreffen – sowie die lokalen Heidenstammtische.
Silver Circle hält die alten Traditionen lebendig und strebt danach mit dem Wandel der Zeit Schritt zu halten – zu erfahren, was es bedeutet, eine Tradition im 21. Jahrhundert sein.
Europa und die ganze Welt werden immer kleiner. Was in den Achtziger Jahren schwer vorstellbar war, wie Gardnerianer in der Sowjetunion, ist nun Wirklichkeit geworden. Es ist eine neue Welt da draußen!
Gwiddon Harveston
Moskau, Juni 2013
Der Artikel erschien ursprünglich auf silvercircle.ru. Die Übersetzung des Artikels erfolgte aus dem Russischen über Englisch ins Deutsche. Da ich selbst kein Russisch spreche bitte ich zu bedenken, dass die Möglichkeit besteht, dass sich über den Umweg der englischen Sprache Fehler eingeschlichen haben. Der Artikel ist darüber hinaus geringfügig gekürzt.
-Chris Frey
* Der Name Andred wird von Doreen Valiente in ihrem Buch “Where Witchcraft Lives” (zuerst publiziert 1962, neue Edition 2010, Whyte Tracks ISBN: 978-879-2632-09-8) erwähnt.
„Vor der römischen Eroberung war der Großteil von Sussex von Wald bedeckt… Die alten Britonen nannten diesen Wald Coid Andred. Die Römmer kannten ihn als Silva Anderida.“
Gwiddon Harveston ist Wiccapriester in der Silver Circle Linie. Er lebt mit seiner Familie in Moskau, Russland. Er betreibt mithilfe anderer Silver Circle Mitglieder die russische Homepage. Mehr als zehn Jahre seines Lebens verbrachte er in Ontario, Kanada, wo er im Jahr 2000 die Einweihung in eine Alexandrische Linie erhielt.